Der Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder
Während zu DDR-Zeiten im Rahmen einer Ehescheidung die Unterhaltsverpflichtungen
des eines Elternteils im Wege der Einigung meist „bis zur wirtschaftlichen
Selbständigkeit“ festgeschrieben wurde, sieht das jetzige Unterhaltsrecht
zwischen den Ansprüchen minderjähriger Kinder und solchen, die das 18.
Lebensjahr vollendet haben, eine deutliche Zäsur. Insoweit ist der 18.
Geburtstag eines Kindes nahezu immer Anlass für eine erforderliche Neuberechnung
des Unterhaltsanspruchs bzw. der Unterhaltsverpflichtung.
Wichtigster Punkt ist der Wegfall der so genannten gesteigerten
Erwerbsobliegenheit. Während sich ein Unterhaltsverpflichteter gegenüber dem
Ansprüchen minderjähriger Kinder nicht darauf berufen kann, aufgrund geringer
Einkünfte oder eingetretener Arbeitslosigkeit zur Zahlung des an sich
geschuldeten Unterhaltes nicht leistungsfähig zu sein, ist dies bei Ansprüchen
volljähriger Kinder jedoch der Fall. Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder
können daher festgesetzt werden unter Einbeziehung rein fiktiver Einkünfte, die
bei gehöriger Anstrengung (theoretisch) erzielt werden können. Bei volljährigen
Kindern gibt es die Anrechnung solch fiktiver Einkünfte nicht. Einzige Ausnahme
sind Kinder, die zwar das 18. Lebensjahr vollendet haben, aber noch zur
allgemeinbildenden Schule gehen, faktisch sind dies fast ausschließlich Schüler
des Gymnasiums.
Weiter zu beachten ist, dass der dem Unterhaltsverpflichteten zustehende
Selbstbehalt gegenüber minderjährigen Kindern und volljährigen Schülern 775,00 €
beträgt, dieser Betrag gilt auch bei minderjährigen Auszubildenden. Mit Eintritt
der Volljährigkeit steigt der Selbstbehalt jedoch auf 1.000,00 €, so dass die
Unterhaltsverpflichtung damit aufgrund mangelnder Einkünfte des Elternteils
abrupt enden kann.
Aber auch die insgesamte Berechnung des Unterhaltsanspruchs ist mit Eintritt der
Volljährigkeit gänzlich anders. Das volljährige Kind hat grundsätzlich keinen
Rechtsanspruch auf kostenlose Unterkunft und Verpflegung durch einen der beiden
Elternteile mehr. Vielmehr steht ihm gegen beide Eltern ein Anspruch auf Zahlung
von Barunterhalt von insgesamt 550,00 € zu. Hierin sind allerdings Kosten für
Unterkunft und Heizung in Höhe von 250,00 € enthalten. Bei erforderlichen
höheren Kosten oder einem besonderen Bedarf, beispielhaft im Falle der Zahlung
von Schulgeld, kann sich der Anspruch angemessen erhöhen. Andersherum reduziert
sich dieser Unterhaltsbetrag natürlich, wenn Mutter oder Vater den Sprössling
nicht mit dem 18. Geburtstag vor die Tür setzen.
Anzurechnen ist auf den Betrag von 550,00 € das eigene Einkommen des Kindes, in
der Regel somit die Ausbildungsvergütung nach Abzug eines Pauschalbetrages von
85,00 € sowie das staatliche Kindergeld, augenblicklich 154,00 €. Letzteres
steht mit Eintritt der Volljährigkeit dem Kind selber zu, zählt aber als eigenes
Einkommen.
Von dem verbleibenden Unterhaltsbetrag haben beide Elternteile anteilig den
Prozentsatz zu zahlen, in dessen Verhältnis die Einkünfte der beiden Elternteile
über dem Selbstbehaltsbetrag von 1.000,00 € zueinander im Verhältnis stehen.
Erzielt der Kindesvater beispielhaft ein Nettoeinkommen von 1.400,00 €, die
Kindesmutter 1.200,00 €, so zahlt der Vater 2/3, die Mutter 1/3 des
verbleibenden Unterhaltsanspruches. Beschränkt sich das Einkommen der
Kindesmutter hingegen auf einen Betrag von weniger als 1.000,00 €, hat der Vater
bis zu seinem Selbstbehalt von 1.000,00 € den Unterhaltsanspruch allein
aufzubringen. Letztlich ist zu beachten, dass vor Ermittlung eines
durchsetzbaren Unterhaltsanspruches eines volljährigen Auszubildenden vorab
Unterhaltsansprüche minderjähriger Geschwister vom Elterneinkommen abzuziehen
sind. Ein volljähriges Kind, das nicht mehr zur Schule geht, kann seine
Unterhaltsansprüche nämlich erst nach vollständiger Abrechnung der
Unterhaltsansprüche weiterer minderjähriger Kinder berechnen.
Bleibt trotz dieser vielen Einschränkungen ein durchsetzbarer Unterhaltsanspruch
des volljährigen Kindes bestehen, so endet dieser jedoch spätestens mit dem Ende
der Ausbildung. Ebensowenig, wie sich ein Elternteil gegenüber den Ansprüchen
minderjähriger Kinder auf die Arbeitslosigkeit berufen kann, kann ein
volljähriges Kind nach Abschluss der Berufsausbildung Unterhalt verlangen, weil
es selbst keine Stelle findet.
Abschließend ist letztlich noch zu erwähnen, dass von den Eltern auch nur die
Finanzierung einer Ausbildung geschuldet ist. So bleibt zwar der
Unterhaltsanspruch bestehen, wenn sich nach einer erfolgreichen Berufsausbildung
beispielhaft ein Fachhochschulstudium anschließt, das zu einer weiteren
Qualifizierung im gewählten Beruf des Kindes führt. Eine zweite Berufsausbildung
ist jedoch ebenso wenig wie ein Wechsel des Studienfaches bis zum Ende dieser
Zweitausbildung durch die Eltern zu finanzieren. In einem solchen Fall endet die
Unterhaltspflicht spätestens mit dem Zeitpunkt, in dem die erste Ausbildung
voraussichtlich ohne den Wechsel abgeschlossen wäre.
Die vorstehenden Erläuterungen können selbstverständlich nur einen groben
Überblick über das Unterhaltsrecht volljähriger Kinder geben. Für eine
Neuberechnung, sei es durch das volljährige Kind oder durch den bereits
zahlungspflichtigen Elternteil, sollte auf jeden Fall die Hilfe ein im
Familienrecht tätiger Rechtsanwalt in Anspruch genommen werden, um eine korrekte
Berechnung durchzuführen und finanzielle Verluste oder mögliche Nachforderungen
zu vermeiden.
Rainer Ellermann
Rechtsanwalt