Änderungen im Unterhaltsrecht ab Juli 2005
Seit einigen Jahren orientiert sich das Unterhaltsrecht minderjähriger Kinder an
der vom Gesetzgeber in zweijährigem Abstand aktualisierten
Regelbetragsverordnung, die jeweils zum 01.07. in Kraft tritt, so auch in diesem
Jahr. Die damit einhergehenden Änderungen für Kinder wie auch für die
unterhaltsverpflichteten Väter oder Mütter sollen nachfolgend zu allgemeinen
Informationen dargestellt werden.
Voranzustellen ist, dass die Regelbetragsverordnung Gesetzescharakter hat, somit
bundeseinheitlich gilt, mit dem Unterschied der so genannten Berliner Vortabelle
für die neuen Bundesländer. Die inhaltliche Ausgestaltung des Unterhaltsrechts
zu Fragen der Anrechnungsfähigkeit von Einkommen, anrechnungsfähigen,
einkommensmindernden Kosten oder der Erhöhung von Ansprüchen der Kinder regelt
nicht diese Verordnung, dies zu regeln ist Sache der Rechtssprechung, nicht der
Gesetzgebung.
Zuständig für die Erstellung und den Inhalt der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien
sind die Oberlandesgerichte, die sich zwar im wesentlichen bemühen, keine
grundsätzlichen Abweichungen voneinander entstehen zu lassen, jedoch trotzdem
von Bundesland zu Bundesland in Einzelfragen zumindest geringfügige Unterschiede
aufweisen können.
Mit Inkrafttreten der Regelbetragsverordnung zum 01.07.2003 hat das für
Sachsen-Anhalt zuständige Oberlandesgericht Naumburg umfassende, gegenüber der
vorherigen Version weit ausführlichere Leitlinien abgefasst und zur Grundlage
der Unterhaltsberechnungen in Sachsen-Anhalt gemacht.
Die Änderungen und Neuerungen dieser Leitlinien habe ich in einem Artikel vom
20.07.2003 in „Der Burg Spiegel“ dargestellt.
Zum Juli 2005 hat das Oberlandesgericht Naumburg auf die Neuerstellung der
Unterhaltsrechtlichen Leitlinien verzichtet, diese werden inhaltlich beibehalten
und nur die Beträge, sowohl was die Ansprüche der Kinder wie auch die
Selbstbehalte betrifft, sind der neuen Regelbetragsverordnung angepasst worden.
Für diejenigen, die sich über den Inhalt der unterhaltsrechtlichen Leitlinien
nochmals informieren wollen, verweise ich auf meine Homepage. Unter der
Internet-Adresse www. ra-ellermann@web.de befindet sich, neben allen anderen
bisherigen Veröffentlichungen des Verfassers, auch der angesprochene Artikel zum
Inhalt der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien, wie sie seit Juli 2003 für
Sachsen-Anhalt Gültigkeit haben.
Wie bereits angedeutet, hat sich das OLG Naumburg in diesem Jahr darauf
beschränkt, in Ergänzung zu den neuen Regelbeträgen die Selbstbehalte neu
festzusetzen. Diese rein finanziellen Änderungen stellen sich wie folgt dar:
Die Regelbeträge (Mindestunterhaltsbeträge) belaufen sich in den neuen
Bundesländern nunmehr für Kinder bis zum 6. Lebensjahr auf 188,00 €, für die
Altersgruppe von 6 bis 12 Jahren auf 228,00 € sowie für die 12 bis 18-jährigen
und volljährigen Schülern einer Allgemeinbildenden Schule auf 269,00 €.
Diese Beträge schuldet der unterhaltsverpflichtete Elternteil grundsätzlich. Es
ist auch äußerst schwierig, eine fehlende Leistungsfähigkeit zu solchen
Unterhaltszahlungen einzuwenden, weil gegenüber den Unterhaltsansprüchen
minderjähriger Kinder nach wie vor der Grundsatz der so genannten gesteigerten
Erwerbsobliegenheit gilt. Ein Unterhaltsverpflichteter dessen normales Einkommen
nicht ausreicht, hat alles Erdenkliche zu unternehmen, um beispielhaft durch
eine Nebentätigkeit, sei es nach Feierabend oder am Wochenende, zusätzliche
Einkünfte zu erzielen, die ihn in die Lage versetzen, diesen Regelbetrag
aufbringen zu können. Angesichts der Arbeitsmarktsituation erscheint dies
manchem arbeitslosen, unterhaltsverpflichteten Elternteil sicherlich kaum
begreiflich zu sein, angesichts der knappen Haushaltsmittel von Bund, Ländern
und Kommunen wird sich aber an dieser Rechtssprechung sobald nichts ändern, da
schließlich jedes Kind, dass seitens eines Elternteils keinen angemessenen
Unterhalt erhält, zwangsläufig auf die Hilfe des Staates zurückgreifen muss.
Soweit das unterhaltsrechtlich zu berücksichtigende Einkommen den Betrag von
1.000,00 € übersteigt, wird, wie seit Januar 2002 gültig, das staatliche
Kindergeld in individuell zu berechnender Höhe auf den Tabellenunterhaltsbetrag
angerechnet, und zwar in einem Maße, dass der Zahlbetrag der Summe entspricht,
die sich aus dem Betrag von 135 % des Regelbetrages abzüglich des hälftigen
staatlichen Kindergeldes (zur Zeit 77,00 €) errechnet.
Dies bedeutet, dass der Unterhaltsverpflichtete für ein Kind der ersten
Altersstufe lediglich einen Betrag von 177,00 € zu zahlen hat (also auch
diejenigen, die weniger als 1.000,00 € monatlich verdienen), der Zahlbetrag der
zweiten Altersstufe beläuft sich auf 231,00 €, für die Kinder in der dritten
Altersstufe beläuft sich der Zahlbetrag auf 287,00 €. In dieser Altersstufe
besteht die Besonderheit, dass bei Einkünften zwischen 1.000,00 € und 1.150,00 €
der Tabellenbetrag 280,00 € beträgt, die dann auch nur zu zahlen wären.
Die vorbenannten Zahlbeträge errechnen sich für den Unterhaltsverpflichteten für
alle unterhaltsrechtlichen Einkünfte oberhalb von 1.000,00 € bis hin zu einem
Nettoeinkommen von 1.900,00 €. Erst darüber hinaus, wenn die 135 %- Grenze
überschritten wird, steigt auch die Höhe des Zahlbetrages, die der
Unterhaltsverpflichtete für sein Kind zu leisten hat.
Für die meisten zahlungspflichtigen Elternteile bedeutet diese Anhebung der
Regelbeträge zunächst eine geringfügige Erhöhung der Unterhaltshöhe. Diese
schwankt je nach Altersgruppe zwischen 5,00 € und 10,00 €.
Wie bereits angesprochen hat sich das Oberlandesgericht Naumburg darauf
beschränkt, in Ergänzung zu diesen neuen Regelbeträgen auch die
Selbstbehaltssätze, also die Beträge, die dem Unterhaltverpflichteten zu
verbleiben haben, um seinen eigenen Bedarf zu decken, anzuheben. So steigt der
Selbstbehalt des erwerbstätigen Unterhaltsschuldners von 775,00 € auf 820,00 €,
der des (auf Dauer) nicht Erwerbstätigen von 675,00 € auf 710,00 €. Der
Selbstbehalt gegenüber Ansprüchen volljähriger Kinder steigt von 1.000,00 € auf
1.010,00 € bzw. 900,00 € bei nicht Erwerbstätigen. Der Selbstbehalt gegenüber
dem getrennt lebenden Ehegatten beläuft sich nunmehr bei Erwerbstätigkeit auf
915,00 €, bei fehlender Erwerbstätigkeit auf 805,00 €.
Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass die vorstehende Wiedergabe der neuen
Regelbeträge und Selbstbehalte nur ein Ansatzpunkt dafür sein kann, ob und
inwieweit bestehende Unterhaltsverpflichtungen den neuen Werten anzupassen sind.
Dies gilt namentlich für die obige Darlegung zur gesteigerten
Erwerbsobliegenheit, aber auch insgesamt zur Frage anrechnungsfähiger,
einkommensmindernder Kosten. Dieser Beitrag kann somit nur einen allgemeinen,
unverbindlichen Überblick zur Frage von Veränderungen im Unterhaltsrecht geben
und ist keinesfalls geeignet, eine anwaltliche Beratung oder
Interessenvertretung für die Berechnung und Geltendmachung von
Unterhaltsansprüchen zu ersetzen.
Rainer Ellermann
Rechtsanwalt