Die neuen Leitlinien zum Unterhaltsrecht

Seit dem 01. Juli 2003 gelten für Sachsen-Anhalt die überarbeiteten und inhaltlich wesentlich erweiterten unterhaltsrechtlichen Leitlinien in ihrer neuen Fassung. Die hierfür zuständigen Familiensenate des Oberlandesgerichts Naumburg haben, neben der Neufassung der Unterhaltstabelle, auch eine Reihe an zusätzlichen Regelungspunkten in die Leitlinien mit aufgenommen, die für zukünftige Unterhaltsberechnungen ein weit größeres Maß an Rechtssicherheit bringen.

Zunächst sei auf die aktuelle Unterhaltstabelle für den Kindesunterhalt minderjähriger Kinder sowie volljähriger Kinder in der Schulausbildung nur insoweit eingegangen, dass der Regelbetrag, also der „Mindestunterhalt“, nunmehr für Kinder bis zum 6. Lebensjahr 183,00 € beträgt, für Kinder im Alter zwischen 6 und 11 Jahren 222,00 € sowie für Kinder ab dem 12. Lebensjahr 262,00 €.

Die Anhebung beläuft sich somit gegenüber der bis Juni 2003 gültigen Tabelle, je nach Altersgruppe, auf 9,00 bis 13,00 €.
Soweit Unterhaltsverpflichtete in der Vergangenheit sich zur Zahlung eines bestimmten Prozentsatzes nach der Regelbetragsverordnung verpflichtet haben, wirkt die Erhöhung des Regelbeträge ab Juli 2003 automatisch, es brauchen somit keine neuen Unterhaltsurkunden unterzeichnet oder neue Urteile erwirkt werden.

Neu geregelt wurde nunmehr, dass Abfindungen, die beispielhaft für den Verlust des Arbeitsplatzes erzielt wurden, in der Regel als Einkommen auf mehrere Jahre zu verteilen sind. Klärend wurde aufgenommen, dass bei Einkünften aus selbständiger Tätigkeit der Durchschnitt der letzten 3 Kalenderjahre zu berücksichtigen ist.
Geregelt wurde weiter die Anrechnung bei Einkünften aus Vermietung oder Verpachtung sowie Zinseinkünften sowie die Anrechnung von Steuerrückerstattungen im Jahr der Rückzahlung. Zudem wird darauf hingewiesen, dass bei der Möglichkeit der Inanspruchnahme von Steuervorteilen hierzu eine entsprechende Verpflichtung besteht.
Trinkgelder sind nunmehr ausdrücklich als Einkommen zu berücksichtigen.

Weiter zählt als Einkommen Arbeitslosenhilfe sowie Wohngeld, es sei denn, das Wohngeld deckt erhöhte, also über das übliche Maß hinausgehende Wohnkosten.
In der Regel kein Einkommen ist das Erziehungsgeld nach der Geburt eines Kindes sowie die Sozialhilfe.
Auch soweit der betreuende Elternteil Kindesunterhalt vom Jugendamt nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erhält, zählt dies nicht zum Einkommen des betreuenden Elternteils hinzu.

Einkommenserhöhend berücksichtigt werden müssen jedoch Sachleistungen des Arbeitgebers, z.B. ein auch privat nutzbarer Firmenwagen sowie der Wohnwert durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim.

Einkommensmindernd wurde klargestellt, dass von der Ausbildungsvergütung des unterhaltsberechtigten Kindes pauschal ein Mehrbedarf von 85,00 € abzuziehen ist, weiterhin im Rahmen der Unterhaltsberechnung Unterhaltsleistungen an vorrangig Berechtigte vorweg abgezogen werden müssen.

In der Vergangenheit wurden Unterhaltsberechnungen zwar im wesentlichen bereits in dieser Form vorgenommen, insoweit bringen die jetzigen Leitlinien nichts grundlegend Neues. Die Aufnahme dieser Regelungspunkte in die Leitlinien schafft jedoch für Unterhaltsberechtigte wie auch Unterhaltsverpflichtete Klarheit und wird helfen, eine Vielzahl an Streitpunkten von vornherein zu vermeiden.

Der Bedarf volljähriger Auszubildender und Studenten wurde nunmehr auf einen monatlichen Betrag von 550,00 € festgelegt, wobei in diesem Betrag Kosten für Unterkunft und Heizung bis zu 250,00 € berücksichtigt sind.

Beim Ehegattenunterhalt wurden die Anrechnungs- und Berechnungsmethoden überarbeitet, von den jeweiligen Einkünften der Ehegatten sind nunmehr 10 % als Erwerbstätigenbonus vor der Berechnung abzuziehen.
Zahlt ein Ehegatte für ein nicht aus der Ehe stammendes Kind Unterhalt und haben diese Zahlungen die Lebensverhältnisse während der Ehe geprägt, so ist der gezahlte Unterhaltsbetrag bei der Berechnung des Einkommens vorab herauszurechnen.

Neu aufgenommen wurde die Regelung, dass eine Ehegatte, der minderjährige Kinder betreut, in der Regel keiner Erwerbstätigkeit nachzugehen braucht, solange ein Kind (von mehreren) noch die Grundschule besucht, danach jedoch ist die Aufnahme zumindest einer Teilzeitbeschäftigung zumutbar. Weiterhin wird nunmehr bestimmt, dass ein Ehegatte, der während der Ehe nicht berufstätig war, für den Zeitraum des ersten Jahres nach der Trennung gleichfalls nicht verpflichtet ist, sich sofort eine Arbeitsstelle zu suchen.

Erhöht wurden neben den Unterhaltsansprüchen gleichfalls auch die Selbstbehalte. Der Selbstbehalt gegenüber den Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder beträgt nunmehr bei Erwerbstätigen 775,00 €, bei Nichterwerbstätigen 675,00 €. Der Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern beträgt jetzt 1.000,00 €.
Dabei sind gegenüber den Ansprüchen minderjähriger Kinder Wohnkosten in Höhe von 360,00 €, gegenüber volljährigen Kindern in Höhe von 440,00 € berücksichtigt.

Die vorstehenden Ausführungen gegen nur einen groben Überblick über die weitaus ausführlicheren Regelungen zum Unterhaltsrecht. Sie sollen und können eine anwaltliche Beratung selbstverständlich nicht ersetzen.

Rainer Ellermann
Rechtsanwalt