ERBRECHT – TESTAMENT ODER NICHT ?

 

Früher oder später in seinem Leben steht jeder von uns sicherlich einmal vor der Frage, ob es für ihn erforderlich oder zumindest sinnvoll ist, Regelungen über den Verbleib seines mehr oder weniger großen Vermögens nach seinem Tode zu treffen. Einige grundsätzliche, ausgewählte Fragen hierzu sollen nachfolgend erörtert werden.

 

Manchmal kommt die Frage der Erbschaft schon auf, obwohl man sich noch bester Gesundheit erfreut.

Immer wieder gibt es nämlich strebsame Sprösslinge, die insbesondere, wenn Vater oder Mutter sich nach einer Scheidung oder dem Tod des ersten Ehegatten mit einem neuen Lebenspartner verbunden haben und daraus weitere Kinder hervorgegangen sind, ihr Erbe schon zu Lebzeiten ausgezahlt haben wollen.

Solche Forderungen müssen jedoch keineswegs erfüllt werden. Grundsätzlich kann jedermann mit seinem eigenen Vermögen und Hab und Gut zu Lebzeiten verfahren, wie er will, Ausnahmen hiervon können nur im Rahmen bereits bestehender Erbverträge oder testamentarischer Verfügungen vorverstorbener Erblasser bestehen.

Somit hat kein Erbe Anspruch auf eine vorzeitige Auszahlung. Wenn der Erblasser sein Sparguthaben durch eine ausgedehnte Kreuzfahrt oder ähnliche Vergnügungen noch kurz vor seinem Ableben verprasst, so hat der Erbe dann das Nachsehen.

 

Wenn es dann zum Erbfall kommt, gliedert das Erbrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch die Erben in unterschiedliche Ordnungen.

 

Die Erben der 1. Ordnung sind die Kinder des Erblassers und deren Kinder. Die Erben der 2. Ordnung sind die Eltern des Erblassers und deren Kinder (also die Geschwister des Erblassers). Die Erben der 3. Ordnung sind die Großeltern und deren Abkömmlinge, die Erben der 4. Ordnung sind die Urgroßeltern und deren Abkömmlinge.

 

Soweit zumindest ein Erbe der 1. Ordnung existiert, sind Erbansprüche von Verwandten der 2., 3. oder 4. Ordnung ausgeschlossen. Gleiches gilt, wenn mangels Erben 1. Ordnung ein oder mehrere Erben der 2. Ordnung vorhanden sind.

 

An die Stelle eines vorverstorbenen Erben tritt, wenn vorhanden, dessen leibliches Kind. Stirbt somit ein Großelternteil und hinterlässt Kinder und Enkel, so erben die Kinder und die Enkel gegen leer aus. Leben jedoch zum Zeitpunkt des Todes die eigenen Kinder nicht mehr, fällt das Erbe den Enkeln zu.

Dies gilt sinngemäß in gleicher Weise für die Erben der 2. und der weiteren Ordnungen.

 

Der überlebende Ehegatte des Verstorbenen nimmt im Erbrecht eine Sonderstellung ein. Dieses Erbrecht besteht neben den Erbansprüchen der gesetzlichen Erben, gleich welcher Ordnung. Die Höhe des Erbanteils des Ehegatten ist abhängig von der Frage, in welchem Güterstand der Erblasser und sein Ehegatte standen und Erben welcher Ordnung erbberechtigt sind.

 

Die vorstehend beschriebene Erbfolge gilt für den Fall, dass der Erblasser kein Testament hinterlassen hat. Soweit beispielhaft vorhandene Kinder gleichberechtigte Erben sein sollen und der Ehegatte bereits verstorben ist, kann sich ein Testament auch erübrigen. Sind jedoch mehrere Kinder vorhanden oder gehört zum Nachlass ein Haus oder gar eine Firma, sollte sich jeder Betroffene überlegen, ob nicht durch ein entsprechendes Testament mögliche Streitigkeiten der Erben weitestgehend von vornherein verhindert werden können. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein gesetzlicher Erbe der 1. Ordnung, die Eltern des Erblassers und sein Ehegatte für den Fall, das sie im Testament enterbt werden, den so genannten Pflichtteilsanspruch behalten. Danach können die Enterbten vom eingesetzten Erben die Hälfte dessen verlangen, was ihnen im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge zugefallen wäre.

Dies kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass das Kind, das alleiniger Erbe wurde und nach dem Willen der verstorbenen Eltern das hinterlassene Haus erhalten sollte, gezwungen ist, dieses Haus zu verkaufen, weil die Pflichtteilsansprüche des Enterbten so hoch sind, dass diese ohne den Verkauf des Hauses nicht aufgebracht werden können.

Es empfiehlt sich daher, vor Abfassung eines Testamentes sich über die Folgen der beabsichtigten Erbeinsetzung rechtlich beraten zu lassen. Kosten einer anwaltlichen Beratung in erbrechtlichen Fragen werden zwar leider durch die Rechtsschutzversicherungen nur in den seltensten Fällen übernommen, insbesondere wenn jedoch mehrere Erbberechtigte vorhanden sind und nennenswertes Vermögen hinterlassen wird, sollte der Weg zum Anwalt gesucht werden. Über die Höhe der Kosten gibt Ihnen jeder Rechtsanwalt gern Auskunft und berät sie auch, ob es sinnvoll ist, das Testament durch einen Notar beurkunden zu lassen oder ob es im konkreten Fall ausreicht, dies – kostengünstig – eigenhändig aufzusetzen.

 

 

Rainer Ellermann

Rechtsanwalt